Ratenzahlungszuschläge und kein Ende

Ausgangspunkt der Diskussion um den Ratenzahlungszuschlag ist ein Rechtsstreit, der 2004 zwischen einem Verbraucherverein und einem Lebensversicherer begann. Die in diesem Streit zu klärende Frage, die über das Landgericht Bamberg und das Oberlandesgericht Bamberg an den Bundesgerichtshof gelangte, und in dem dort durch ein Anerkenntnis des Versicherers ein Urteil verhindert wurde, hatte nicht ohne Grund einen Lebensversicherungsvertrag zum Gegenstand. Aus der strategisch klugen Sicht des klagenden Vereins hat das Thema in der Lebensversicherung die wirtschaftlich größten Auswirkungen.

Das Landgericht Bamberg hatte dem Verein Recht gegeben und festgestellt, dass die Berechnung von Ratenzahlungszuschlägen der PAngV unterliege. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte den Anspruch des Vereins abgelehnt und festgestellt, dass die PAngV keine Anwendung fände. In der Revision hat das Gericht dem Vernehmen nach den Hinweis gegeben, dass es dem Oberlandesgericht nicht folgt und das Urteil des Landgerichts wiederherstellen wolle. Daraufhin hat der Versicherer den Anspruch anerkannt und damit das Urteil des Landgerichtes Bamberg akzeptiert.

Es fehlt in beiden Urteilen aus Bamberg eine Betrachtung der im Folgenden dargestellten Grundsätze. Zwar verneint das Oberlandesgericht die Anwendung der PAngV, geht aber nicht auf die wesentlichen Hintergründe der Kalkulation der Lebensversicherung ein. Diese Hintergründe gelten insbesondere in der Lebensversicherung, sind aber grundsätzlich auch für die Sachversicherung richtig.

Es muss die Frage beantwortet werden, ob die in der Versicherung üblichen, in % der Jahresprämie bezifferten Ratenzahlungszuschläge Zinsen für einen Kredit im Sinne der Preisangabenverordnung (PAngV) sind, und damit auch mit einem effektiven Zinssatz ausgewiesen werden müssen, oder ob eine von der PAngV nicht betroffene besondere Preiskalkulation vorliegt.

Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie aufsichtsrechtliche Regelungen schreiben den Versicherern wegen des gesetzlich normierten Grundsatzes der „Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer“ die Kalkulation von Ratenzahlungszuschlägen vor. Für die Lebensversicherung ist § 11 Abs. 2 VAG die bestimmende Norm. Danach dürfen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. Es wird der Grundsatz aufgestellt, dass für alle Versicherungsnehmer einer Risikogemeinschaft gleiche Prämien berechnet werden müssen. Die hinter diesem Grundsatz stehende Absicht ist das Verbot der Willkür durch den Versicherer bei der Berechnung von Prämien. Im Ergebnis zahlen Versicherungsnehmer, deren Risiko- und Vertragsmerkmale identisch sind, deshalb gleiche Prämien.

Bei der Berechnung von Zuschlägen bei der unterjährigen Prämienzahlung wird dieses Prinzip der Gleichbehandlung ebenfalls umgesetzt.

In der einschlägigen Verordnung (Verordnung über die Berichterstattung der Versicherungsunternehmen, BerVersV) wird die Kalkulation eines Ratenzahlungszuschlages deshalb auch nicht als Zins gewertet, sondern als der Ausgleich der dem in Raten zahlenden Versicherungsnehmer im Verhältnis zum Jahreszahler entstehenden Vorteile.

Um zu verstehen, aus welchem Grund Ratenzahlungszuschläge berechnet werden müssen, ist die Erläuterung einiger Grundsätze der Versicherungstechnik notwendig.

Versicherungsprämien werden auf der Basis von Statistiken kalkuliert. In der Lebensversicherung ist dies die Statistik über die Sterbewahrscheinlichkeit, in der Sachversicherung liegen Statistiken über Schadenshäufigkeiten vor. Auch in der Sachversicherung wird für jede Sparte und für jedes Risiko eine eigene Statistik verwendet. Um dem Gesetz der großen Zahl bei der Kalkulation der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines versicherten Ereignisses zu genügen, werden diese Wahrscheinlichkeiten in der Lebensversicherung traditionell nur für ein Lebensjahr einer jeweiligen Kohorte erstellt. Eine unterjährige Betrachtung wäre wegen der Schwankungen im Laufe des Jahres entweder zu ungenau oder für die Kalkulation einer Prämie nicht zu gebrauchen. Die Verwendung dieser jährlichen Statistiken führt deshalb im Ergebnis dazu, dass eine Prämie für das Produkt „Versicherung“ jeweils für ein Jahr berechnet wird.

Auch wegen der für die Versicherungsnehmer jederzeit bestehende Möglichkeit, die Zahlungsweise während der Laufzeit des Vertrages zu wechseln, ist die Kalkulation auf der Basis eines Jahresbetrages sachgerecht. Der Wechsel der Kalkulation während der Laufzeit eines Vertrages ist seit jeher wegen der Komplexität der verwendeten EDV-Programme schwierig oder unmöglich oder gar aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorschriften wegen der Festlegung eines Tarifes auf einen unveränderlichen Geschäftsplan verboten.

Wenn nun bei der Zahlung der Prämie von der jährlichen Kalkulation des Tarifes abgewichen wird, dann folgt aus allgemeinen finanzmathematischen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen schlüssig, dass ein Ausgleich zugunsten der Versichertengemeinschaft stattfinden muss. Während der jährlich zahlende Versicherungsnehmer die Voraussetzungen für die Berechnung der Prämie sowohl im Bereich des Risikos als auch bei der Zahlung der Prämie erfüllt, ergibt sich durch eine unterjährige Zahlung eine Abweichung von der Kalkulation.

Konsequenz der jährlichen Kalkulation in der Kapitallebensversicherung ist aufgrund der gesetzlichen Vorschriften, dass dem unterjährig zahlenden Versicherungsnehmer die gleichen Leistungen wie dem Jahreszahler zustehen. Wesentlicher Teil der Kalkulation des Versicherers – und gleichzeitig der tatsächlichen Erträge – sind die aus der jährlichen Zahlung der Prämie zu erzielenden Zinseinnahmen. Mit diesen Zinseinnahmen werden die vertraglich vereinbarten Garantiezinsen, die Überschüsse und die Kosten der Verwaltung der Kapitalanlage erwirtschaftet. Die in Raten gezahlte Prämie trägt nicht im gleichen Umfang zu den Ergebnissen bei, obwohl dem in Raten zahlenden Versicherungsnehmer die gleichen Zinserträge wie dem Jahreszahler gutgeschrieben werden.

Ebenfalls begünstigt wäre der in Raten zahlende Versicherungsnehmer im Verhältnis zu dem Jahreszahler auch im Bereich der Berechnung der Risikoprämie. Mit dem Tod der versicherten Person erlischt der Versicherungsvertrag, die Berechnung von Prämien über den Tod hinaus ist nicht zulässig. Für den unterjährig beendeten Versicherungsvertrag wären also vergleichbar weniger Prämie gezahlt worden. Es leuchtet daher ein, dass der in Raten gezahlten Prämie ein Zuschlag hinzugefügt werden muss, damit die Risikogemeinschaft hierfür einen Ausgleich erhält.

Auch im Bereich der Verwaltungskosten bedeutet die jährliche Zahlung der Prämien einen höheren Deckungsbeitrag als die monatlich gezahlten Prämien. Die Zinsen aus Anlage der zu Beginn des Versicherungsjahres erhaltenen und noch nicht verbrauchten Prämieanteile kann der Versicherer zur Deckung der Verwaltungskosten nutzen. Mit den Prämienanteilen des unterjährigen Prämienzahlers sind Zinserträge nicht zu erwirtschaften, da die Kosten des Versicherers entsprechend der Zahlungsperiode anfallen.

Der in Raten zahlende Versicherungsnehmer muss wegen der in § 11 Abs. 2 VAG festgelegten Preisgerechtigkeit im Verhältnis zu allen jährlich zahlenden Versicherungsnehmern kalkulatorisch jedoch den gleichen Preis für Deckungsschutz an die Gemeinschaft zahlen. Die Preisgerechtigkeit wird durch die Berechnung eines Zuschlags erreicht.

Wenn der Versicherer nun durch ein Urteil gezwungen wird, die Ratenzahlungszuschläge zurückzugeben oder auf die Zuschläge zu verzichten, dann wäre der in Raten zahlende Versicherungsnehmer begünstigt.

Einerseits erhielte dieser – aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammenfassung in einer Ertrags(Tarif-)gemeinschaft – die gleiche Verzinsung wie ein Jahreszahler, obwohl die Prämie tatsächlich nur für einen Teil des Jahres zinstragend zur Verfügung steht. Andererseits erhielte er die Zuschläge für die Vergangenheit zurück oder müsste sie in der Zukunft nicht zahlen, erhielte aber die gleichen Erträge wie ein Jahreszahler.

Selbstverständlich können die Versicherer die Prämien auch auf monatlicher Basis kalkulieren. Dann müsste aber wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer dem Jahreszahler wiederum ein Rabatt eingeräumt werden. Bei einem Vergleich der Methoden lässt sich feststellen, dass zwischen ihnen wirtschaftlich kein Unterschied besteht.

Die Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge berücksichtigt im Erwägungsgrund Nr. 12 oben beschriebenen Besonderheiten in der Versicherungswirtschaft und hat ausdrücklich die Kalkulation der Prämien für eine Versicherung aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die Kalkulation der Prämien beruht auf international einheitlichen mathematischen Grundsätzen, deshalb war eine in Europa einheitlich umzusetzende Regelung auch sachgerecht.

Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung dieser Richtlinie in die Preisangabenverordnung diese Besonderheiten übersehen oder hat eine Umsetzung für nicht erforderlich gehalten. Wir gehen davon aus, dass das Landgericht diese Besonderheit übersehen hat. Das Oberlandesgericht sieht zwar die Sonderstellung der Versicherung in der Richtlinie, kann aber mangels Begründung den Bundesgerichtshof nicht überzeugen. Die Materie ist aufgrund der Verknüpfung von Statistik, allgemeinen versicherungstechnischen Grundsätzen sowie der komplexen Umsetzung in den gesetzlichen Regelungen schwer zugänglich.

Wir sind der Ansicht, dass der hinter dem Prinzip der Versicherung stehende Gedanke der Risiko-, Ertrags- und Kostengemeinschaft der Versicherungsnehmer in den vergangenen Jahren in Vergessenheit geraten ist. Der diesem Prinzip eigene Grundsatz der Schicksalsteilung wurde zu Gunsten einiger aggressiv klagender Versicherungsnehmer und Verbraucherverbände mit einem Hang zur Durchsetzung individueller Vorteile zu Lasten der Gemeinschaft verletzt.

Zweifellos hat es in der Vergangenheit sowohl in der Lebens- als auch in der Sachversicherung Fehlentwicklungen gegeben, deren Korrektur nur durch gesetzliche Maßnahmen möglich ist. Wegen des mangelnden Verständnisses für die sich hinter dem Prinzip der Versicherung verbergenden mathematischen und rechtlichen Zusammenhänge sind jedoch Lösungen geschaffen worden, die dem Prinzip von „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“ weitere praktische Beispiele hinzufügen. Auch eine intensive Lobby hat dazu beigetragen, dass gefundene Lösungen das Gegenteil von ideal sind.

Die von Verbraucherschutzverbänden teilweise unwidersprochen behaupteten Bereicherungsabsichten der Versicherer bei der Vereinbarung von Ratenzahlungszuschlägen zulasten der Versicherungsnehmer entbehren jeder Grundlage. In diesem Fall ist sogar das Gegenteil richtig. Die Ratenzahlungszuschläge basieren auf aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen mathematischen Prinzipien. Eine ungerechtfertigte Verteilung der daraus entstehenden Erträge zu Lasten der Versicherungsnehmer ist nicht möglich. Soweit die Ratenzahlungszuschläge zu einer Erhöhung der Überschüsse führen, werden diese entsprechend den für die Jahresprämie geltenden Regelungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer geteilt.

Für die Sachversicherung gilt, dass grundsätzlich der Wettbewerb zwischen den Versicherern für eine angemessene Prämie sorgen sollte.

 

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