OLG Hamm: Ausschluss psychischer Folgen in der privaten Unfallversicherung trotz erheblicher organischer Unfallverletzungen

In einer aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht Hamm klargestellt, dass der Ausschluss psychischer Folgen in der privaten Unfallversicherung auch dann eingreifen kann, wenn der Versicherte tatsächlich durch den Unfall erhebliche körperliche Gesundheitsschäden erlitten hatte.

Im konkreten Fall machte der Versicherungsnehmer geltend, als Folge des Unfalles an einer rezidivierenden depressiven Störung zu leiden. Gemäß Ziffer 5.2.6 der vereinbarten Versicherungsbedingungen (AUB 2008) bestand kein Versicherungsschutz für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden.

Das OLG Hamm hat festgestellt, dass eine psychische Reaktion auf das Unfallereignis vorliegt, deren Entstehung allein mit der psychogenen Natur der Verarbeitung des Gesamtgeschehens durch den Versicherten erklärt werden kann. Der Unfall und seine physischen Folgen seien allenfalls Auslöser für die Entstehung der psychischen Störung gewesen (vgl. OLG Hamm VersR 2006, 1394; r+s 2013, 88 f.; OLG Celle, VersR 2015, 1499, 1500). Versicherungsschutz hätte aber nur dann bestehen können, wenn der Unfall und die durch ihn verursachten körperlichen Gesundheitsfolgen nicht nur Auslöser, sondern der eigentliche Grund für die Entstehung der psychischen Störung wären (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 1142; VersR 1991, 414). Weder das Unfallereignis selbst noch der dabei erlittenen Bruch des im Bereich der Lendenwirbelsäule implantierten Couplers waren aber in diesem Sinne geeignet, beim Versicherten eine depressive Reaktion hervorzurufen. Maßgeblich für deren Entstehung war vielmehr die in der Grundpersönlichkeit des Versicherten angelegte Neigung, auf Belastungen depressiv zu reagieren.

Keinen Erfolg hatte der Versicherte auch mit dem Argument, gemäß Ziffer 5.2.6 AUB 2008 seien nur psychischen Erkrankungen ausgeschlossen, wenn das Unfallereignis zu keinen körperlichen Gesundheitsschäden geführt hat. Das Fehlen körperlichen Verletzungen ist nur eine von mehreren Fallgestaltungen, in welcher der Ausschluss eingreift. Der Ausschluss umfasst darüber hinaus auch Fälle, in denen der Versicherte organische Schäden durch den Unfall erlitten hat und es zu psychischen Störungen aufgrund inadäquater Fehlverarbeitung kommt (vgl. OLG Celle, VersR 2015, a. a. O.). Dann ist die psychische Erkrankung nicht unmittelbare Folge des Unfalls und der organischen Schäden, sondern eine nicht zwangsläufig mit der körperlichen Verletzung verbundene psychische Folge, für die nach den Versicherungsbedingungen grundsätzlich kein Versicherungsschutz besteht (vgl. OLG Koblenz r+s 2013, 89 f.). Durch die Ausschlussklausel sollen gerade solche Störungen vom Versicherungsschutz nicht umfasst sein, die unabhängig vom Auftreten eines körperlichen Traumas aufgrund später erfolgter subjektiver Fehlverarbeitung entstehen.

Hieran änderte auch nichts, dass der Versicherte aufgrund der physischen Unfallfolgen an einem chronischen Schmerzsyndrom leidet, welches durch somatische und psychische Faktoren beeinflusst wird. Das Schmerzsyndrom war nicht als eigentlicher Grund für die Entstehung der rezidivierenden psychischen Störung anzusehen, die durch den Unfall erlittenen Schmerzen waren mitursächlich für die psychische Verarbeitung des Unfallgeschehens durch den Versicherten in Form einer depressiven Störung. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hatte hierzu festgestellt, dass die konkret empfundenen Schmerzen grundsätzlich nicht geeignet sind, eine entsprechende psychische Erkrankung herbeizuführen. Die Herausbildung einer rezidivierenden psychischen Störung ist dann allein als Folge der psychischen Gesamtverarbeitung des Unfallgeschehens.

OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2016 – I-6 U 4/16

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RA Arno Schubach
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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