EuGH: Wieder zur Gruppenversicherung. Ende eines Geschäftsmodells?

Unter den Begriff „Versicherungsvermittler“ und damit den Begriff „Versicherungsvertreiber“ fallen Person, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, für die sie von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen namentlich im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigt.

Ausgangsrechtsstreit

Die Beklagte beauftragte Werbeunternehmen damit, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern gegen Entgelt den Beitritt zu einer Gruppenversicherung anzubieten. Hierfür schloss sie bei der W. Versicherungs-AG einen Gruppenversicherungsvertrag mit Versicherungsschutz für Erkrankung und Unfall bei Auslandsreisen sowie für Auslands- und Inlands-Rückholkosten ab. Die Beklagte, die als Versicherungsnehmerin handelte, entrichtet die geschuldeten Beiträge an die Versicherungsgesellschaft. Außerdem ist sie vertraglich mit der F. r. AG verbunden, die mit ihrem medizinischen Personal und ihrem Fluggerät gegen eine Vergütung Leistungen erbringt, die zum einen in der Organisation und Durchführung des Rücktransports bei Krankheit oder Unfall im Ausland und zum anderen im Bereitstellen einer Alarmzentrale bestehen.

Die Kunden der Beklagten, die der von dieser abgeschlossenen Gruppenversicherung beitreten, zahlen ihr ein Entgelt und sind im Gegenzug zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigt, zu denen die Erstattung der Kosten für medizinische Heilbehandlungen und Krankentransporte, die Organisation und Durchführung entsprechender Transporte sowie der Betrieb einer Alarmzentrale zählen. Die den Kunden der Beklagten garantierten Versicherungsleistungen werden u.a. über von dieser an die Kunden abgetretene Ansprüche erbracht.

Die Tätigkeit der Beklagten war nicht auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet, sondern zielte darauf ab, den Verbrauchern die Möglichkeit der Mitgliedschaft in der von ihr abgeschlossenen Gruppenversicherung zu bieten und ihnen die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen zu vermitteln, für die Versicherungsschutz besteht. Weder die Beklagte noch die von ihr beauftragten Werbeunternehmen verfügen über die Erlaubnis für die Ausübung der Tätigkeit der Versicherungsvermittlung. Da der Kläger der Ansicht ist, dass die Tätigkeit der Beklagten derjenigen eines Versicherungsvermittlers entspreche und damit einer solchen Erlaubnis bedürfe, erhob er beim Landgericht Koblenz Klage auf Unterlassung dieser Tätigkeit. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Beklagte legte gegen die Entscheidung Berufung beim Oberlandesgericht Koblenz ein, das diese Entscheidung mit der Begründung aufhob, dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens kein „Versicherungsvermittler“ im Sinne von § 34d Abs. 1 GewO sei. Der BGH ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits davon abhänge, ob die Beklagte als „Versicherungsvermittler“ im Sinne der Richtlinien 2002/92 und 2016/97 anzusehen ist.

Der BGH hatte daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen, und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, Versicherungsvermittler im Sinne von Art. 2 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92 und Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 8 der Richtlinie 2016/97?

Zur Vorlagefrage

Die Tätigkeit der „Versicherungsvermittlung“ wird in Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92 als das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, definiert. Außerdem definiert Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie den „Versicherungsvermittler“ als jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie kann die mit Vergütung gemeinte Gegenleistung finanzieller Art sein oder jede andere Form eines wirtschaftlichen Vorteils annehmen, der zwischen den Parteien vereinbart wurde und an die Leistung geknüpft ist.

Die Richtlinie 2016/97 definiert ihrerseits den „Versicherungsvertrieb“ in ihrem Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 als die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Unter den Begriff „Versicherungsvermittler“ fällt nach der Definition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 dieser Richtlinie jede natürliche oder juristische Person, die kein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen oder ihre Angestellten und kein Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit ist und die die Versicherungsvertriebstätigkeit gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Der „Versicherungsvertreiber“ wiederum wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Richtlinie 2016/97 als Versicherungsvermittler, Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit oder Versicherungsunternehmen definiert. Der Begriff „Vergütung“ wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie 2016/97 dahin definiert, dass er alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nicht finanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden, erfasst.

Was zunächst den Wortlaut der Richtlinie 2002/92 und 2016/97 anbelangt, ist festzustellen, dass zum einen der Versicherungsvermittler als eine Person definiert wird, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung oder die Versicherungsvertriebstätigkeit „gegen Vergütung“ aufnimmt oder ausübt, und dass zum anderen der Begriff „Versicherungsvermittler“ unter Bezugnahme auf die Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung bzw. des Versicherungsvertriebs definiert wird.

Beim Ausgangsverfahrens ist das Tatbestandsmerkmal der Vergütung als erfüllt anzusehen, wenn jede Mitgliedschaft eines Kunden der juristischen Person, die den Gruppenversicherungsvertrag mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat und in diesem Rahmen Versicherungsbeiträge an sie entrichtet, zu einer Zahlung an diese juristische Person führt. Vorliegend trägt so die Beklagte gegen eine solche Vergütung dazu bei, dass Dritte, nämlich ihre Kunden, den Versicherungsschutz erlangen, der in dem von ihr mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag vorgesehen ist. Die Aussicht auf diese Vergütung stellt für eine juristische Person wie die Beklagte ein eigenes wirtschaftliches Interesse dar, das sich von dem Interesse der Mitglieder an der Erlangung des sich aus dem betreffenden Vertrag ergebenden Versicherungsschutzes unterscheidet und geeignet ist, sie zu veranlassen, angesichts der Freiwilligkeit des Beitritts zu diesem Vertrag auf eine große Zahl von Vertragsbeitritten hinzuwirken, wovon im Übrigen hier auch ihr Rückgriff auf Werbeunternehmen zeugt, die den Vertragsbeitritt im Wege der Haustürwerbung anbieten.

In Anbetracht der weiten Konzeption des Vergütungsbegriffs sowohl nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/92 als auch nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie 2009/97 ist es unerheblich, dass die Zahlung bei jedem Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag an die juristische Person, die diesen Vertrag mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat, von den Mitgliedern als Gegenleistung für die ihnen von der juristischen Person abgetretenen Ansprüche auf Versicherungsleistungen geleistet wird und nicht vom Versicherer in Form z.B. einer Provision. Im Übrigen ändert dieser Umstand nichts an dem eigenen wirtschaftlichen Interesse der besagten Person daran, dass ihre Kunden dem Vertrag auf möglichst breiter Ebene beitreten, damit die verschiedenen Zahlungen den Betrag der Beiträge, die sie selbst im Rahmen dieses Vertrags an den Versicherer zahlt, finanzieren oder gar übersteigen.

Was die Tätigkeiten betrifft, auf die in den Definitionen des Begriffs „Versicherungsvermittler“ in Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2002/92 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2016/97 verwiesen wird, hat der EuGH bereits entschieden, dass sich aus der Tatsache, dass die in diesen Bestimmungen genannten Tätigkeiten alternativ aufgeführt werden, ergibt, dass jede von ihnen für sich genommen eine Tätigkeit der Versicherungsvermittlung darstellt. Im Übrigen hat der EuGH klargestellt, dass diese Tätigkeiten weit gefasst sind und dazu insbesondere nicht nur das Anbieten und das Vorschlagen von Versicherungsverträgen, sondern auch andere Vorbereitungsarbeiten zum Abschluss solcher Verträge gehören, ohne dass die Art dieser Vorbereitungsarbeiten in irgendeiner Art und Weise beschränkt wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31.Mai 2018, Länsförsäkringar Sak Försäkringsaktiebolag u.a., C‑542/16, EU:C:2018:369, Rn. 37 und 53).

Auch wenn der Wortlaut von Art. 2 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92 und von Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 der Richtlinie 2016/97 eine Tätigkeit, wie sie Gegenstand der Vorlagefrage ist, nicht ausdrücklich erwähnt, sind die Definitionen in diesen Bestimmungen doch so zu verstehen, dass sie eine solche Tätigkeit umfassen.

Insoweit ist es, wie namentlich die deutsche Regierung und die Europäische Kommission hervorgehoben haben, unerheblich, dass die juristische Person, die eine Tätigkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreibt, nicht den Abschluss von Versicherungsverträgen, mit denen Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz von einem Versicherer gegen Zahlung von Beiträgen erlangen möchten, anstrebt, sondern den freiwilligen Beitritt ihrer eigenen Kunden gegen eine an sie erfolgende Vergütung zu einem Gruppenversicherungsvertrag, den sie zuvor mit einem Versicherer im Hinblick auf die Bereitstellung eines solchen Versicherungsschutzes für diese Kunden abgeschlossen hat. Eine solche Tätigkeit ist nämlich mit der vergüteten Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers oder eines Versicherungsvertreibers vergleichbar, die darauf gerichtet ist, dass Versicherungsnehmer mit einem Versicherer Versicherungsverträge abschließen, die die Deckung bestimmter Risiken gegen Zahlung einer Versicherungsprämie zum Gegenstand haben.

Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die juristische Person, die eine Tätigkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreibt, als Versicherungsnehmerin selbst Partei des Gruppenversicherungsvertrags ist, dem beizutreten sie ihre Kunden veranlassen möchte. Genauso wie nämlich die Eigenschaft als Versicherungsvertreiber nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Richtlinie 2016/97 nicht mit der Eigenschaft als Versicherer unvereinbar ist, ist die Eigenschaft als Versicherungsvermittler und damit Versicherungsvertreiber nicht mit der Eigenschaft als Versicherungsnehmer unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, A u.a. [Unit-Linked-Versicherungsverträge], C‑143/20 und C‑213/20, EU:C:2022:118, Rn. 87 und 88).

Was sodann den Kontext der auszulegenden Bestimmungen betrifft, ergibt sich aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/92 und dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/97, dass Versicherungsprodukte von verschiedenen Kategorien von Personen oder Einrichtungen vertrieben werden können und dass sich zur Gewährleistung der Gleichbehandlung dieser Akteure sowie des Kundenschutzes diese Richtlinien auf all diese Personen oder Einrichtungen beziehen sollten. Im Übrigen hat die Richtlinie 2016/97, wie in ihrem siebten Erwägungsgrund zum Ausdruck kommt, angesichts der Ungenauigkeiten einer Reihe von Vorschriften der Richtlinie 2002/92 den Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf jede Art des Vertriebs von Versicherungsprodukten erweitert.

Wie es in den Erwägungsgründen 6 und 16 der Richtlinie 2016/97 heißt, sollte den Verbrauchern trotz der Unterschiede zwischen den Vertriebskanälen das gleiche Schutzniveau zugutekommen. Wie ebenfalls im 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zum Ausdruck kommt, wird es den Verbrauchern zugutekommen, wenn Versicherungsprodukte über verschiedene Kanäle und über Vermittler, die auf verschiedene Weise mit Versicherungsunternehmen zusammenarbeiten, vertrieben werden, sofern für alle ähnliche Verbraucherschutzregeln gelten, und dies auch aus Gründen, die mit der Notwendigkeit zusammenhängen, gleiche Wettbewerbsbedingungen und Wettbewerbschancen für alle Versicherungsvermittler und Versicherungsvertreiber zu schaffen.

Angesichts dieses Kontexts und in Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 41, 42, 45 und 46 des vorliegenden Urteils sind die Begriffe in Art. 2 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92 sowie in Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 8 der Richtlinie 2016/97 dahin auszulegen, dass sie eine juristische Person umfassen, die eine Tätigkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreibt.

Schließlich steht diese Auslegung im Einklang mit den Zielen, die mit diesen Richtlinien verfolgt werden. Wie insoweit im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 8 und 9 der Richtlinie 2002/92 zum Ausdruck kommt, soll diese u.a. die Gleichbehandlung aller Kategorien von Versicherungsvermittlern sicherstellen und den Verbraucherschutz im Versicherungswesen verbessern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Oktober 2013, EEAE u.a., C‑555/11, EU:C:2013:668, Rn. 27 und 29). Diese Ziele werden durch die Richtlinie 2016/97 verstärkt verfolgt, wie sich u.a. aus ihren Erwägungsgründen 5, 7, 10 und 16 ergibt.

Die Einbeziehung von Personen, die auf dem Versicherungsmarkt auf der Grundlage eines Geschäftsmodells wie desjenigen, auf das sich die Vorlagefrage bezieht, tätig sind, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien ist geeignet, die Verwirklichung dieser beiden Ziele zu fördern. Werden solche Personen, deren Tätigkeit, wie sich aus den Rn. 41, 42 und 45 des vorliegenden Urteils ergibt, einer Tätigkeit der Versicherungsvermittlung oder des Versicherungsvertriebs im Sinne dieser Richtlinien gleichkommt, in den Anwendungsbereich der Richtlinien einbezogen, so verhindert dies nämlich zum einen eine Beeinträchtigung des Ziels, die Gleichbehandlung aller Kategorien von Versicherungsvermittlern und ‑vertreibern zu gewährleisten, wie es in den oben in Rn. 52 genannten Erwägungsgründen dieser Richtlinien ausgeführt wird.

Da die Tätigkeiten vergleichbarer Art sind, müssen somit die in der Richtlinie 2002/92 und der Richtlinie 2016/97 vorgesehenen Zulassungs- und Eintragungspflichten, die insbesondere gewährleisten sollen, dass Versicherungsvermittler über die im Bereich der Versicherungsvermittlung und ‑beratung erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkenntnis verfügen, für die Wirtschaftsteilnehmer, die diese Tätigkeiten ausüben, in gleicher Weise gelten.

Zum anderen trägt es zum Ziel der Verbesserung des Verbraucherschutzes im Versicherungswesen bei, wenn juristische Personen, deren Tätigkeit der in der Vorlagefrage bezeichneten Tätigkeit entspricht, in den Anwendungsbereich der Richtlinien 2002/92 und 2016/97 einbezogen werden und ihnen damit die Einhaltung der in diesen Richtlinien vorgesehenen Vorschriften zur Vorgabe gemacht wird.

Wie vom Generalanwalt in den Nrn. 83 und 84 seiner Schlussanträge ausgeführt, ist nämlich der Versicherungsvermittler, damit dafür gesorgt ist, dass seine Tätigkeit ein angemessenes Verbraucherschutzniveau gewährleistet, nach den genannten Richtlinien verpflichtet, sich u.a. an eine Reihe von Anforderungen beruflicher, finanzieller und organisatorischer Art, an Verhaltensregeln wie solche zur Vermeidung der Gefahr eines Interessenkonflikts, der sich aus etwaigen Verbindungen zwischen ihm und einem Versicherer ergibt, sowie an Informations- und Beratungspflichten gegenüber den Verbrauchern zu halten.

Wie der Kläger des Ausgangsverfahrens ausgeführt hat, ist dieses Verbraucherschutzbedürfnis aber, wenn es um eine juristische Person geht, die die Verbraucher über ein Geschäftsmodell wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende veranlasst, einem von ihr bei einem Versicherer abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag beizutreten, ebenso wichtig, wie wenn es um einen Versicherungsvermittler oder Versicherungsvertreiber geht, dessen vergütete Tätigkeit auf den unmittelbaren Abschluss von Versicherungsverträgen durch die Verbraucher gerichtet ist.

Anmerkung

Nach dem Urteil vom 24.02.2022 – C-143/20, C-213/20 folgt nun eine weitere Entscheidung zur Gruppenversicherung und der Rolle des Versicherungsnehmers, wenn dieser neue Gruppenmitglieder akquiriert. Dem neuen Mitglied der Gruppe wird nach dem bisherigen Verständnis als Zusatzleistung oder sogar als einzige Hauptleistung Versicherungsschutz angeboten, ohne dass eine Pflicht des Versicherungsnehmers bestand, die ihm vom Versicherer zu erteilenden Informationen an das neue Mitglied der Gruppe weiterzuleiten. Das hatte sich nach dem Urteil vom 24.02.2022 geändert, es wurde dabei aber als ausreichend erachtet, wenn die Informationen in dem Gruppenvertrag aufgeführt sind, sofern dieser dem neuen Mitglied rechtzeitig vor seinem Beitritt ausgehändigt werden (Rdn. 116). Eine solche Konstruktion sieht der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich nur für die Gruppen-Restschuldversicherung vor, wonach der Versicherungsnehmer gegenüber den Versicherten die Informationspflichten eines Versicherers hat, § 7d S. 1 VVG. Jetzt geht der EuGH einen großen Schritt weiter und stellt fest, dass eigentlich jede kommerzielle Gruppe, die auch Versicherungsschutz beinhaltet, als Versicherungsvermittler einzustufen ist. Für diese Auslegung sei es auch nicht erforderlich, dass von einem Versicherer eine Vergütung an die Gruppe fließt. Ausreichend sei vielmehr das schlichte Streben nach einem finanziellen Vorteil in der Form eines Gruppenbeitrages durch das Gruppenmitglied. Das bedeutet für viele Geschäftsmodelle einen harten Wechsel. Zunächst einmal bedarf es einer gewerberechtlichen Zulassung. Aber auch der Beitritt zur Gruppe muss angepasst werden. Der schlichte Hinweis auf die Informationen des Versicherers im Gruppenvertrag genügen hier nicht mehr, vielmehr unterliegt jetzt die Gruppe dem vollen Strauß der Pflichten, die für jeden Versicherungsvermittler gelten.

EuGH, Urteil vom 29.September 2022 – C‑633/20

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Oliver Meixner
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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