BGH: Zum datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch des Versicherten

Nach einem Urteil des BGH wartet auf die Versicherungswirtschaft sehr viel Arbeit.

Ein Versicherungsnehmer machte gegenüber einem Versicherer Ansprüche aus Artikel 15 DS-GVO auf Datenauskunft geltend. Der BGH hatte sich in der zugelassenen Revision mit der Frage zu befassen, welchen Umfang der Auskunftsanspruch hat.

Nach Artikel 15 Absatz 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob über ihn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat der Betroffene ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und bestimmte weitere Informationen. Der BGH stellte zunächst fest, dass dem Versicherungsnehmer ein solcher Auskunftsanspruch gegenüber dem Versicherer zustehe. Weiter führte der BGH aus, dass ein solcher Auskunftsanspruch grundsätzlich aber erst dann erfüllt sei, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Würde die Auskunft in dieser Form erteilt, stehe ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs sei daher die Erklärung, dass die Auskunft vollständig sei.

Der Versicherer hatte dem Versicherungsnehmer gewisse Auskünfte erteilt. Der Versicherungsnehmer präzisierte sein Auskunftsbegehren im Verfahren dann dahingehend, dass er weitergehende Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz der Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaiger erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bezüglich sämtlicher Telefongespräche und Bewertungsvermerke zum Versicherungsverhältnis fordere. Gemäß Artikel 4 Nummer 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition sei der Begriff weit zu verstehen, so der BGH. Er sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse potentiell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handele. Die letztgenannte Voraussetzung wäre erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhaltes, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft sei.

Das Auskunftsrecht diene der betroffenen Person sich der Verarbeitung seiner Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Nach diesen Grundsätzen sei die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das Prämienkonto des Versicherungsnehmers und Daten des Versicherungsscheins sowie interne Vermerke und Kommunikation des Versicherers nicht dem Anwendungsbereich des Artikel 15 Abs. 1 DS-GVO entzogen. Schreiben des Versicherungsnehmers an den Versicherer seinen grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten anzusehen. Die personenbezogene Information bestehe bereits darin, dass sich der Versicherungsnehmer in dem Schreiben geäußert habe. Auch die Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer unterfielen dem Auskunftsanspruch insoweit, als sie Informationen über den Versicherungsnehmer enthalten. Dass die Schreiben dem Versicherungsnehmer bereits bekannt seien, schließe den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus. Der Versicherer soll Auskunft darüber geben, ob er die im Schriftverkehr enthaltenen personenbezogenen Daten aktuell verarbeitet, insbesondere speichert. Zu beachten sei ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen könne. Daher seien auch etwaige Zweitschriften und Nachträge zu dem Versicherungsschein nicht vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, soweit die darin enthaltenen personenbezogenen Daten bei dem Versicherer verarbeitet werden.

Auch die Korrespondenz des Versicherers mit Dritten könne auf die Person des Versicherungsnehmers bezogene Daten enthalten. Interne Vermerke oder interne Kommunikation bei dem Versicherer, die Informationen über den Versicherungsnehmer enthalten, kämen somit als Gegenstand des Auskunftsanspruchs grundsätzlich in Betracht. Dies sei beispielsweise bei der Beurteilung der Schreiben des Versicherungsnehmers bei Vermerken der Fall, die festhalten, wie sich der Versicherungsnehmer telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat. Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers enthielten personenbezogenen Daten.

Soweit der Versicherungsnehmer Auskunft über die interne Bewertung des Versicherers zu den Ansprüchen des Versicherungsnehmers verlangte, wollte der BGH dem nicht folgen. Es sei allein zu beachten, dass rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten enthalten könnten, die auf der Grundlage dieser Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst, stelle aber keine Information über den Betroffenen dar. Auch Daten über Provisionszahlungen des Versicherers an Dritte hätten keinen Bezug zur Person des Versicherungsnehmers, weswegen darüber auch keine Auskunft erteilt werden müsse.

BGH, Urteil vom 15.06.2021 – ZR VI 576/19

 

HINWEIS: Am 16.09.2021 führt das Hamburger Institut für Versicherungsrecht und Haftpflichtrecht zu diesem Thema ein online-Webinar durch.

 

Ihr Ansprechpartner:
Oliver Meixner
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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