BGH: Schadensersatz des Versicherers wegen Verletzung seiner Beratungspflicht

Ergibt sich im Rahmen eines Beratungsersuchens über den bereits laufenden Bezug der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeitsrente die Unkenntnis des Versicherungsnehmers über den daraus folgenden Eintritt des Versicherungsfalles „Rente wegen Erwerbsminderung“, dann hat der Versicherer die Pflicht den Versicherungsnehmer auf die Möglichkeit eines Antrages auf Erwerbsunfähigkeitsrente hinzuweisen.

Die VN begehrte von dem VU die Nachzahlung einer Zusatzrente wegen Erwerbsminderung. Die VN bezog seit 01.05.2004 Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Erst 2011 beantragte die VN Leistungen von dem VU.

Das VN berief sich auf die Versäumung einer Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Rentenanspruchs von zwei Jahren und gewährte die Zusatzrente erst ab dem Jahr 2009. Im Dezember 2004 kam es zu mehreren Telefonaten der VN mit Mitarbeitern des VU, bei der die VN auf den Bezug der gesetzlichen Rente hinwies. Ein Hinweis des VU auf die Möglichkeit der Beantragung der Zusatzrente erfolgte gleichwohl nicht.

Hierzu führt der BGH aus, dass aufgrund einer unzureichenden Beratung durch das VU die VN einen Schadensersatzanspruch habe, infolge dessen sie so zu stellen sei, als ob sie im Dezember 2004 auf die Möglichkeit eines Zusatzrentenantrags hingewiesen worden sei.

Im Jahr 2004 habe zwar § 6 VVG noch nicht in neuer Fassung gegolten. Die Frage einer Hinweis- und Beratungspflicht des VU sei daher nach altem Recht zu beurteilen. Danach sei dem VU jedoch eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB vorzuwerfen. Schon vor Inkrafttreten des neuen VVG habe den Versicherer eine Hinweis- und Beratungspflicht getroffen, wenn für ihn erkennbar war, dass der Versicherungsnehmer aufgrund einer Fehlvorstellung einer Beratung bedurfte. Diese Erkennbarkeit habe aufgrund des Inhalts der geführten Telefonate und des Schreibens der VN vorgelegen.

Hieraus folge vorliegend ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung. Dieser sei darauf gerichtet, die VN so zu stellen, als ob sie einen rechtzeitigen Leistungsantrag gestellt hätte. Insofern greife zugunsten der VN die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein.

BGH Beschluss vom 07.09.2016 – IV ZR 370/13

Ihr Ansprechpartner:
RA Oliver Meixner
Fachanwalt für Versicherungsrecht

 

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