BGH: Nachweis des Versicherungsfalls in der Transportversicherung

  1. In der Transportversicherung trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, dass die nach seiner Behauptung in Verlust geratenen Transportgüter in der angegebenen Menge verladen worden sind und ihren Bestimmungsort nicht erreicht haben. Beweiserleichterungen kommen ihm in Bezug auf das beförderte und abhanden gekommene Transportgut nicht zugute.
  2. Der Verlustnachweis kann bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation des Beförderungsvorgangs scheitern.

Die Klägerin fordert Leistungen aus einer von ihr bei der Beklagten Transportversicherung.

Nach der Behauptung der Klägerin schloss die Versicherte im Oktober 2008 mit der Verkäuferin M. T. Import Export S.r.l., N. einen Vertrag über die Lieferung von Elektronikartikeln im Werte von 449.588,25 € („F. N. “) und beauftragte den italienischen Frachtführer Autotrasporti T. C. damit, die Ware von N. in ein Lager in V. zu transportieren. Am 4. Dezember 2008 habe der Zeuge C. T. die von der Verkäuferin bereitgehaltenen Güter verpackt auf 33 Paletten geladen, um damit am darauffolgenden Tag nach V. zu fahren. Am 5. Dezember 2008 zwischen 4.10 Uhr und 4.20 Uhr sei er bei der Auffahrt auf die Autobahn Opfer eines Raubüberfalls geworden, bei dem er von den unbekannten Tätern zum Anhalten gezwungen, in einen PKW verbracht und später freigelassen worden sei, während sein LKW samt Ladung weggefahren worden sei.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg, das Oberlandesgericht ließ jedoch die Revision wegen eine offenen Beweislast frage zu. Der BGH konnte hingegen keine Zulassungsgründe erkennen. Der IV Senat hatte nämlich bereits entschieden, dass der Versicherte einer Geld- und Werttransportversicherung darlegen und beweisen muss, dass ein geltend gemachter Schaden in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt (Senatsurteile vom 25. Mai 2011 – IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41; vom 9. November 2011 – IV ZR 16/10, VersR 2012, 566 Rn. 30). In diesem Zusammenhang wurde unter anderem ausgeführt, dass der Auftraggeber eines Transportes infolge des mit dem Versicherungsnehmer vereinbarten Transportvertrages besseren Einblick in die für den Transport verabredeten Abläufe hat als der Transportversicherer, der regelmäßig keine – eigene – Kenntnis von den konkreten Transportvorgängen erlangt, und es der Auftraggeber über die Gestaltung des Transportvertrages selbst in der Hand hat, seine Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 a.a.O. Rn. 45).

Daher erschien es dem Senat nicht geboten, dem Transportversicherer in Abweichung von dem Grundsatz, dass derjenige, der Versicherungsleistungen beansprucht, den Versicherungsfall darlegen und beweisen muss, die Darlegungslast dafür aufzuerlegen, dass das Transportgut seinen Bestimmungsort unversehrt erreicht hat (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 a.a.O.).

Das lässt sich auf den Streitfall in der Weise übertragen, dass Auftraggeber und Transporteur es ohne weiteres in der Hand haben, die Beförderung des Transportgutes nach Art und Menge ausreichend zu dokumentieren, während der Versicherer insoweit keinen Einblick hat. Auch insoweit ist es nicht angezeigt, dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen im Hinblick auf Umstände zu gewähren, die sich einerseits der Kenntnis des Versicherers entziehen und die andererseits für den Versicherungsnehmer bei ordnungsgemäßer Dokumentation des Transportvorganges ohne unzumutbaren Aufwand zu belegen sind.

Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die Rechtsprechung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Vollbeweis von Transportschäden in Haftungsfällen wegen Verlustes von Transportgut auf den Streitfall zu übertragen, deckt sie keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler und damit ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO auf.

Selbst wenn diese Rechtsprechungsgrundsätze im Streitfall Anwendung fänden, könnte die Klägerin – anders als die Revision meint -den Beweis für den Transport und den Verlust des behaupteten Transportgutes nicht im Wege eines Anscheinsbeweises führen. Zu Recht verweist die Revisionserwiderung darauf, dass der I. Zivilsenat mit Urteil vom 13. September 2012 (I ZR 14/11, NJW-RR 2013, 813 Rn. 13, 16-19 m.w.N.) ausgesprochen hat, wer Schadensersatz wegen des Verlustes von Transportgut begehre, müsse substantiiert darlegen und im Bestreitensfalle auch beweisen, dass das Gut während der Obhutszeit beim Transportunternehmen abhandengekommen und wie hoch der eingetretene Schaden sei. Dies umfasse neben dem Beweis der Übernahme von Gütern als solchen auch den Nachweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands. Ob dieser Beweis geführt sei, sei grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts, insbesondere nach § 286 ZPO, zu beurteilen. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist (a.a.O. Rn. 16) dabei ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Oktober 2002 – I ZR 104/00, TransportR 2003, 156 unter II 3 b; vom 20. Juli 2006 – I ZR 9/05, VersR 2007, 564 Rn. 19) abgerückt, nach welcher der Anscheinsbeweis in Fällen angewendet werden konnte, in denen das zu befördernde Gut dem Frachtführer in einem verschlossenen Behältnis, etwa einem Karton, übergeben und in dessen Obhut verlorengegangen war. Soweit sich die Revision weiterhin auf diese ältere Rechtsprechung zu stützen versucht, kann sie damit nicht durchdringen; eine Übertragung der vom I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aufgegebenen Rechtsprechung auf den Beweis des Versicherungsfalles in der Transportversicherung kommt nicht in Betracht.

BGH Beschl. v. 11.1.2017 – IV ZR 74/14

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