BGH: Großkundenrabatte bei der fiktiven Schadensabrechnung

Der BGH hatte sich mit der Frage des sog. Großkundenrabats zu beschäftigen. Er stellt hierzu fest: Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch bei fiktiver Schadensabrechnung grundsätzlich zu berücksichtigen ist.

Der Fall: Die Klägerin, ein großes, international tätiges Autovermietungsunternehmen, nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit. Die Klägerin hat den Reparaturschaden fiktiv – auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens – netto abgerechnet. Hiervon hat die Beklagte nur einen Teil erstattet. Die Beklagte begründet dies damit, dass die Klägerin als großes Autovermietungsunternehmen bei Reparaturen Großkundenrabatte erhalte und deshalb diese Aufschläge und Kosten nicht anfielen. Den Großkundenrabatt müsse sich die Klägerin auch bei fiktiver Abrechnung anrechnen lassen.

Aus den Entscheidungsgründen: Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die konkrete, sondern auch für die fiktive Schadensabrechnung. Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt nun Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Der Senat hat dies bereits für einen Fall der konkreten Schadensabrechnung entschieden, in dem der Geschädigte für die Reparatur seines Fahrzeugs einen Werksangehörigenrabatt erhalten hatte (Senatsurteil vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 7 f.). Da das Wirtschaftlichkeitsgebot einschließlich des Grundsatzes der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sowie das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern, auch für die fiktive Schadensabrechnung gelten, liefert diese Abrechnungsart keinen Grund dafür, von der Berücksichtigung eines solchen Rabatts abzusehen. Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend der Einwand der Beklagten, der Klägerin stehe aufgrund entsprechender Vereinbarungen (mit markengebundenen Fachwerkstätten auf dem regionalen Markt) ein Großkundenrabatt zu, den die Klägerin bei einer Reparatur des Unfallfahrzeugs hätte in Anspruch nehmen können und der die fiktiven Reparaturkosten gesenkt hätte, beachtlich. Er ist auch entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung mit Blick auf die Größe des Autovermietungsunternehmens der Klägerin hinreichend substantiiert. Insbesondere ist die Beklagte prozessrechtlich nicht gehalten, konkret vorzutragen, welche Vereinbarungen die Klägerin mit welchen Reparaturwerkstätten abgeschlossen hat; denn die Beklagte steht insoweit, anders als die Klägerin, außerhalb des Geschehensablaufs, so dass ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Es wird sodann Sache der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin sein, diesen Einwand auszuräumen.

BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19

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