BGH: Der Wohngebäude-Versicherer hat nicht für Nässeschäden aufgrund einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand einzustehen

Der VN nahm den beklagten Versicherer auf Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens in Anspruch. In dem versicherten Gebäude kam es aufgrund der Undichtigkeit einer Silikonfuge im Duschbereich einer Wohnung zu einem Wasserschaden.

In den Allgemeinen Wohngebäude-​Versicherungsbedingungen des Versicherers heißt es:

              „§ 3 Leitungswasser

 Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-​, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen.

Der Versicherungsnehmer wird sich nun fragen, ob im Fall einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten ist. Er wird annehmen, dass eine Einrichtung eine (technische) Vorrichtung oder Anlage ist (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Band 3 Stichwort Einrichtung), wobei er dem Wortlaut der AVB entnehmen wird, dass die Vorrichtung mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) verbunden sein muss. Diese Voraussetzung wird er hinsichtlich einer undichten Fuge, die keine Verbindung mit dem Rohrsystem aufweist, verneinen (vgl. – zu unterschiedlichen Klauselfassungen – OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 4 U 24/13, juris Rn. 3; LG München I NJOZ 2018, 231 Rn. 24; LG Mönchengladbach, Urteil vom 17. Januar 2013 – 1 O 130/12, juris Rn. 13; AG Aachen, Urteil vom 10. Juli 2013 – 109 C 19/13, juris Rn. 16; Rixecker, ZfSch 2017, 223).

Anhaltspunkte dafür, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden ist, wird der Versicherungsnehmer der Klausel nicht entnehmen. Er wird annehmen, dass die Einrichtungen eine physische Verbindung mit dem Rohrsystem aufweisen müssen, wobei mittelbare, über andere Bestandteile einer Funktionseinheit vermittelte Verbindungen nicht genügen.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz (BGH vom 12. Juli 2017 – IV ZR 151/15, VersR 2017, 1076 Rn. 13 m.w.N.). In dieser Erwartung sieht er sich durch sein Verständnis von den AVB nicht getäuscht. Vielmehr wird er den Zweck dieser Klausel und ihren Sinnzusammenhang mit dem voranstehenden Satz dahingehend verstehen, das dort gewährte Leistungsversprechen für Schäden durch austretendes Leitungswasser insofern zu konkretisieren, als dieses nur für Leitungswasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen gilt.

Der Versicherer ist demnach leistungsfrei, weil Wasser nicht aus den in den AVB genannten Quelle ausgetreten ist.

Anmerkung:

Der Streit wegen der Undichtigkeit von Silikonfugen im Duschbereich währt gefühlt ewig und ist nun endlich richtig entschieden. Die Entscheidung des BGH ist bemerkenswert, denn es wird wieder einmal deutlich gemacht, dass es bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen auch auf die Erwartungshaltung des VN ankommt. Dies Erwartungshaltung kann jedoch den klaren Wortlaut der AVB nicht überdecken und verdrängen. Zunächst hat sich die Auslegung am Wortlaut zu orientieren. Im vorliegenden Fall war dieser eindeutig und unmissverständlich. Trotzdem ist das Ergebnis für den VN unbefriedigend. Den Versicherern wird das über den Vertrieb gespiegelt, weswegen es bei vielen Unternehmen schon heute die Anweisung gibt, entgegen dem klaren Wortlaut solche Schäden zu regulieren. Es ist also angezeigt, wie auch schon bei den Wasserbetten und Aquarien, eine Ergänzung in den AVB vorzunehmen. Dann hätte sich auch dieses Problem endgültig erledigt.

BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – IV ZR 236/20

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Oliver Meixner
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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