BaFin: Aufgaben des Versicherers dürfen nicht auf Versicherungsmakler übertragen werden.

Der BGH hatte durch Urteil vom 14.01.2016 einem Versicherungsmakler untersagt für einen Haftpflichtversicherer die Schadenregulierung zu übernehmen. In dem zugrundeliegenden Verfahren ging es um einen Versicherungsmakler, der einem Textilreinigungsunternehmen einen Haftpflichtversicherungsvertrag vermittelt hatte. Er übernahm in einem Schadenfall im Auftrag des Versicherungsunternehmens die Schadenregulierung gegenüber dem geschädigten Kunden des Reinigungsunternehmens. Eine Rechtsanwaltskammer klagte gegen den Versicherungsmakler auf Unterlassung der Regulierung von Versicherungsfällen im Auftrag eines Versicherungsunternehmens wegen Verstoßes gegen das RDG. Der BGH verurteilte den Versicherungsmakler, die schadenregulierende Tätigkeit zu unterlassen.

Aus diesem Urteil ergeben sich weitreichende Konsequenzen, worauf die BaFin in ihrem Journal 02/2017 hinweist. Das Urteil betrifft nicht nur die Versicherungsmakler selbst, sondern auch Versicherungsunternehmen, die mit Versicherungsmaklern zusammenarbeiten. Aufsichtsrechtlich sind die Versicherer insbesondere in ihrer Compliance betroffen. Gemäß § 29 Absatz 2 VAG hat die Compliance-Funktion als Teil der Geschäftsorganisation die möglichen Auswirkungen von Änderungen des Rechtsumfeldes für das Unternehmen zu beurteilen und das Risiko zu identifizieren und zu beurteilen, das mit einer Verletzung der rechtlichen Vorgaben verbunden ist. Insoweit besteht auch eine Schnittstelle zum Risikomanagement. Für die Versicherungsunternehmen ergeben sich hier mehrere Risiken. Wie in dem vom BGH entschiedenen Fall kann es dazu kommen, dass ein Wettbewerber die schadenregulierende Tätigkeit beanstandet und der beauftragte Versicherungsmakler gezwungen wird, die Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen einzustellen. Verstößt der Versicherungsmakler, den das Unternehmen mit der Schadenregulierung beauftragt hat, gegen das RDG, so führt dies gegebenenfalls zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Beauftragung gemäß § 134 BGB. Ein Versicherungsmakler könnte sich selbst hierauf berufen und die schadenregulierende Tätigkeit einstellen. Auch besteht das Risiko, dass ein am RDG orientierter (Haftpflicht-)Versicherungsschutz des Versicherungsmaklers diese Tätigkeit nicht (mehr) abdeckt – anknüpfend daran, dass nach dem Urteil des BGH die Schadenregulierung für das Versicherungsunternehmen nicht zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers gehört und gegen das RDG verstößt. Eine solche Absicherung des Versicherungsunternehmens liefe dann ins Leere. Die Ausführung des BGH, dass einer erlaubten Rechtsdienstleistung des Versicherungsmaklers auch Maßgebliche Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes auch die Vorschrift des § 4 RDG entgegenstehe, ist so zu verstehen, dass § 4 RDG nicht nur den Gläubiger der Rechtsdienstleistung schützen soll, hier das Auf einen Blick Versicherungsunternehmen, sondern auch den Gläubiger der anderen Leistungspflicht, also den Versicherungsnehmer. Die Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern, die gegen diese Vorschrift verstoßen, berührt somit auch die Belange der Versicherten. Es ist Aufgabe der BaFin sicherzustellen, dass diese ausreichend gewahrt bleiben (§ 294 Absätze 2 und 3 VAG). Das gilt nicht nur für inländische Versicherungsunternehmen, sondern auch für solche, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums haben und durch eine Niederlassung oder im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr in Deutschland tätig sind. Nach § 62 Absatz 1 Satz 1 VAG ist die BaFin bei diesen Unternehmen ebenfalls für die Rechtsaufsicht zuständig.

Nach dem Urteil des BGH bleibt für eine schaden-regulierende Tätigkeit von Versicherungsmaklern für Versicherungsunternehmen grundsätzlich kein Raum mehr. Im Hinblick auf die Weite des Begriffs der Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG ist davon auszugehen, dass es sich bei der Schadenregulierung in der Regel um eine Rechtsdienstleistung handelt und das Urteil daher greift, und zwar auch in vermeintlich eindeutigen Schadenfällen. Auch fällt nicht nur die Schadenregulierung als solche, sondern in der Regel auch die Schadenbearbeitung im Sinne einer Aufbereitung des Versicherungsfalls in den Anwendungsbereich des RDG, wenn die Entscheidung über das Ob und das Wie der Regulierung beim Versicherungsunternehmen verbleibt. Es wird daher kein gangbarer Weg sein, lediglich die Schadenregulierungsvollmacht zu widerrufen und die Schadenbearbeitung im Auftrag des Versicherungsunternehmens beim Versicherungsmakler zu belassen. Zwar erscheint es dem BGH nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich in bestimmten Bereichen außerhalb der Textilhaftpflichtversicherung das Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers dahin gewandelt hat oder künftig wandeln könnte, dass es eine schadenregulierende Tätigkeit für ein Versicherungsunternehmen umfasst. Auch in einem solchen Fall wäre jedoch § 4 RDG einschlägig, so dass eine schadenregulierende Tätigkeit, jedenfalls im Regelfall, wegen Interessenkonflikten nicht erlaubt sein dürfte. Bislang sind der BaFin keine Fallgestaltungen bekannt, in denen sich bei Anwendung der Maßgaben des BGH für einen Versicherungsmakler, der Schäden für ein Versicherungsunternehmen reguliert, ein solcher Interessenkonflikt nicht ergäbe. Beabsichtigt ein Versicherungsunternehmen, ein bislang als Versicherungsmakler tätiges Unternehmen weiterhin mit der Schadenregulierung zu beauftragen, so müsste das Unternehmen seinen Status als Versicherungsmakler aufgeben und den Status eines Versicherungsvertreters annehmen, um einen Verstoß gegen das RDG zu vermeiden. Das Urteil des BGH hat zwar die Tätigkeit der Schadenregulierung zum Gegenstand, gilt jedoch auch für andere Tätigkeiten von Versicherungsmaklern für Versicherungsunternehmen, die sich nach Maßgabe des Urteils als Rechtsdienstleistung darstellen. So weiß die BaFin von Verträgen, die über die Schadenbearbeitung hinaus weitere Dienstleistungen vorsehen, etwa die Risikoprüfung, die Antragsannahme und die Bestandsverwaltung.

Die BaFin hat das Urteil des BGH im Versicherungsbeirat und im Gespräch mit den Aufsichtsbehörden der Bundesländer thematisiert. Um sich einen Überblick über den Umgang der Versicherungsunternehmen mit dem Urteil zu verschaffen, bat sie darüber hinaus mehrere stichprobenhaft ausgewählte Unternehmen um Stellungnahme. Alle haben angekündigt, das Urteil anzuwenden. Die BaFin erwartet, dass die Versicherungsunternehmen das Urteil auch im Hinblick auf bestehende Vollmachten umsetzen. Dabei berücksichtigt sie, dass einige Versicherungsunternehmen hierfür zeitaufwändig Geschäftsabläufe prüfen, bewerten und Gegebenen falls neu gestalten müssen. Als Lösung käme beispielsweise eine Schadenregulierung durch das Versicherungsunternehmen selbst oder durch einen Rechtsanwalt in Frage.

Ihr Ansprechpartner:
RA Oliver Meixner
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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