BGH entscheidet zu den Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung (Urteile vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19)

Seit einigen Jahren wenden sich Versicherungsnehmer verstärkt gegen Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung gestützt auf formale Einwendungen.

Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte mit Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 der Auffassung eine Absage erteilt, dass das Zivilgericht eine Prämienerhöhung für unwirksam erklären kann, weil seiner Ansicht nach der Treuhänder, der gemäß § 203 Abs. 2 VVG seine Zustimmung erteilen muss, nicht als unabhängig angesehen werden könne. Ist der zustimmende Treuhänder gemäß den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes ordnungsgemäß bestellt worden, so findet nach der Entscheidung des BGH eine gesonderte Überprüfung seiner Unabhängigkeit durch die Zivilgerichte im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers über eine Prämienanpassung nicht statt. Hinsichtlich der weiteren Frage, ob die Prämienanpassung ordnungsgemäß gemäß § 203 Abs. 5 VVG begründet worden war, hatte der BGH die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, ohne zu den Anforderungen an die Begründung näher Stellung zu nehmen.

Nunmehr hat der BGH in zwei Verfahren entschieden, welche Anforderungen an die Begründung einer Beitragsanpassung zu stellen sind.  Der IV. Senat hat klargestellt, dass die Begründung gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage erfordert, deren Veränderung die Prämienanpassung veranlasst hat. Dies können die Versicherungsleistungen (§ 155 Abs. 3 VAG) oder die Sterbewahrscheinlichkeit (§155 Abs. 4 VAG) sein. Dies sind die beiden Faktoren, die gemäß der gesetzlichen Vorgabe jährlich zu überprüfen sind und bei entsprechender Veränderung die Verpflichtung zur Neukalkulation auslösen. Nicht mitteilen muss der Versicherer in der Begründung der Beitragsanpassung, in welcher Höhe sich der auslösende Faktor verändert hat. Ebenso muss die Begründung gemäß § 203 Abs. 5 VVG keine Angaben zu sonstigen Faktoren enthalten, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben. Insbesondere muss eine Änderung des Rechnungszinses nicht in der Begründung angegeben werden, selbst wenn diese ganz erheblichen Einfluss auf die neu berechnete Prämie hat.

Im Übrigen hat der BGH nochmals bestätigt, dass der Versicherer fehlende Angaben in der Begründung der Beitragsanpassung nachholen kann (so bereits BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17). Die Beitragsanpassung ist dann nicht gänzlich unwirksam. Aber erst die nachgeholte Begründung setzt die Frist des § 203 Abs. 5 VVG in Gang, so dass die Anpassung zu Beginn des zweiten Monats wirksam wird, der auf die Mitteilung der nachgebesserten Begründung folgt.

BGH, Urteile 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19

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