BGH: Keine Fälligkeit von Leistungen bei Verweigerung der Prüfung vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen

In seinem Urteil vom 22.02.2017 hat der IV. Zivilsenat des BGH die seit Längerem erwartete Entscheidung zu der Frage getroffen, inwieweit der Versicherungsnehmer Leistungen aus einer Personenversicherung beanspruchen kann, wenn er durch die Verweigerung der Erteilung von Schweigepflichtsentbindungserklärungen gemäß § 213 VVG dem Versicherer die Prüfung unmöglich macht, ob vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen vorliegen.

Der BGH hat klargestellt, dass die zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen gemäß § 14 VVG auch Maßnahmen zur Klärung der Frage umfassen, ob bei Vertragsschluss vorvertraglichen Anzeigepflichten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG verletzt worden sind. Deshalb kann der Versicherer zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges seiner Leistungspflicht auch Auskünfte für erforderlich halten und verlangen, die allein der Prüfung der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten dienen. Dies gilt selbst dann, wenn noch kein konkreter Verdacht besteht.

Dem steht § 213 Abs. 1 VVG nicht entgegen. Verweigert der Versicherungsnehmer unter Inanspruchnahme der ihm durch diese Regelung eingeräumten Rechte die Mitwirkung bei der Erhebung der Daten, so hat dies zur Folge, dass der Versicherer die notwendigen Erhebungen im Sinne von § 14 VVG nicht vornehmen kann. Ein etwaiger Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers wird dann nicht fällig, seine Klage auf die versicherten Leistungen kann keinen Erfolg haben.

Kann allerdings mangels konkreter Anhaltspunkte der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf bestimmte Informationen beschränkt werden, so muss der Versicherte zunächst nur die Einholung der erforderlichen, weniger weitreichenden und persönlichkeitsrelevanten Vorinformationen ermöglichen, die dem Versicherer eine nähere Konkretisierung ermöglichen, welche weiteren Informationen für ihn von Relevanz sind. Dies können zum Beispiel Angaben sein, ob und bei wem der Versicherte in einem bestimmten Zeitraum behandelt worden ist. Konkretisiert der Versicherer aufgrund dieser erhobenen Daten dann sein Auskunftsverlangen, muss auch die Erhebung sensiblerer Daten wie z. B. Diagnosen, Behandlungsmaßnahmen und Verordnungen ermöglicht werden.

BGH, Urteil vom 22.02.2017 – IV ZR 289/14

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RA Arno Schubach
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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