BGH: Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung in der privaten Unfallversicherung

Für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung reicht es in der privaten Unfallversicherung aus, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Vorschäden schließen daher für sich genommen die Kausalität nicht aus.

In dem vom BGH entschiedenen Fall begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einer privaten Unfallversicherung. Nach einem Sturz leidet die Klägerin an dauerhaften Beschwerden. Es wurden bei der Klägerin auch eine Bandscheibenprotrusion und eine Spinalkanalstenose festgestellt. Die Beklagte lehnte Leistungen nun mit der Begründung ab, dass die Spinalkanalstenose bereits vor dem Unfall bestanden haben müsse und die Bandscheibenprotrusion nicht als bedingungsgemäße Unfallfolge zu werten sei. Ein gerichtlicher Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der Klägerin nicht auf den Bandscheibenprolaps, sondern auf eine degenerative Facettengelenksarthrose zurückzuführen seien, für die der Unfall keine richtungsweisende Verschlimmerung dargestellt habe, sondern die durch den Unfall nur aktiviert worden sei.

Die Vorinstanz hatte noch eine Kausalität zwischen Unfallereignis und Invalidität verneint. Der BGH meinte hierzu jedoch, dass ein Kausalzusammenhang nach der Äquivalenztheorie bereits dann bestehe, wenn der Unfall nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Gesundheitsschaden entfalle. Hierbei sei Mitursächlichkeit ausreichend, was sich aus Nr. 3 AUB 2000 ergebe, wonach bei Mitwirkung unfallfremder Faktoren kein Ausschluss, sondern nur Anspruchsminderung die Folge sei. Daneben müsse nach der Adäquanztheorie das Unfallereignis allgemein zur Herbeiführung des eingetretenen Dauerschadens geeignet sein. Der BGH tritt damit der h.M. entgegen, dass ein adäquater Kausalzusammenhang entfalle, wenn die eingetretene Funktionsbeeinträchtigung auch auf degenerativen oder anlagebedingten Vorschäden beruhe, die bis zum Unfall noch keine Beschwerden ausgelöst hatten und der Unfall nur einen unmaßgeblichen Anlass für die Beschwerden gesetzt habe (sog. Gelegenheitsursache). Ein solcher eigenständiger unfallversicherungsrechtlicher Kausalbegriff, der aus dem Sozialversicherungsrecht stamme, wo für die Kausalität eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung verlangt werde, sei in der privaten Unfallversicherung abzulehnen. Nur so könne Nr. 3 AUB 2000 ausgelegt werden. Außerdem verlagere ein Ausschluss der Kausalität über die Figur der Gelegenheitsursache die Beweislast des Versicherers für die Mitwirkung von Vorerkrankungen unzulässig auf den Versicherungsnehmer. Wenn also die bei dem Sturz auf die Klägerin einwirkenden Kräfte die Aktivierung der zuvor «klinisch stummen» Arthrose bewirkt und damit die Dauerbeschwerden ausgelöst hätten, wäre eine Kausalität des Unfalls zu bejahen.

Ein mitwirkendes Gebrechen liege allerdings unabhängig davon, ob der Versicherte zuvor schon an Beschwerden gelitten hat, auch dann vor, wenn eine vorbestehende Schädigung nicht lediglich zu einer erhöhten Schadenanfälligkeit geführt, sondern zur Verstärkung der Folgen des späteren Unfalls beigetragen habe. Unter dieser Voraussetzung genügten auch bislang klinisch stumm verlaufene degenerative Veränderungen den Anforderungen an das Vorliegen eines Gebrechens, das gegebenenfalls zu einer entsprechenden Anspruchsminderung nach Nr. 3 AUB 2000 führe.

BGH Urteil vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14

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Fachanwalt für Versicherungsrecht

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